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Passion für historische Reklame

Ein Herz für Schilder: Rico Böhme aus Malsch sammelt und schätzt alte Werbeobjekte

Mit gut erhaltenen, seltenen Emailleschildern können Besitzer ein Vermögen verdienen. Doch woran erkennt man die Echtheit und wie ergibt sich der Preis? Rico Böhme weiß es.

Rico Böhme in seiner Küche, wo ein seltenes Emailleschild von Maggi an der Wand hängt.
Rico Böhme in seiner Küche, wo ein seltenes Emailleschild von Maggi an der Wand hängt. Foto: Volker Knopf

Alte Reklame steht bei Sammlern hoch im Kurs. Ein historisches Emailleschild aus den 20er oder 30er Jahren kann schon mal Höchstpreise generieren. Und hier kommt Rico Böhme aus Malsch ins Spiel.

Da werden Schilder in Misthaufen vergraben oder ins Säurebad gelegt.
Rico Böhme
über das Vorgehen von Fälschern

Der 41-Jährige ist im Nebenprojekt Sammler, Händler und Wertgutachter in Personalunion. In seiner Datenbank hat er mehr als 41.000 Schilder detailliert eingespeist. Er übernimmt die Daten von gängigen Auktionen aus Deutschland, aber auch aus Wien oder Paris. Mit einem eigens entwickelten Programm versucht er den „richtigen Preis“ für das jeweilige Schild zu ermitteln.

Steigende Preise rufen Fälscher auf den Plan

Denn der Zustand der Werbeschilder von anno dazumal ist meist höchst unterschiedlich. „Es ist ein Zusammenspiel aus Erhaltungszustand und Seltenheit. Die Anzahl der noch existierenden Schilder, die Nachfrage und der beteiligte Designer und das Motiv spielen eine Rolle“, sagt Böhme. Schäden gilt es zu bewerten oder gar „faule Äpfel“ auszusortieren.

Denn seit die Preise der verknappten Ware nur eine Richtung kennen – und zwar nach oben – gibt es immer wieder schwarze Schafe, die Schilder fälschen. „Da werden Schilder in Misthaufen vergraben oder ins Säurebad gelegt, um eine Alterung künstlich zu erzeugen“, weiß der Fachmann.

Der Wahl-Badener, der ursprünglich aus Sachsen stammt, ist auch Vermittler. Bei Streitfällen will er als Mediator agieren und bewertet ganze Sammlungen. Was für ihn die Faszination der alten Werbetafeln ausmacht? „Es ist die Wertigkeit und Langlebigkeit. Im Grunde wurden sie für die Ewigkeit gemacht. Da gab es aufwendige Zuckergussverfahren, alles sehr aufwendig und detailverliebt. Zudem kreierten die besten Werbegrafiker ihrer Zeit die Motive“, sagt Böhme.

Klasse statt Masse

Oft haben Sammler ein spezielles Sujet: Seien es Brauerei-, Zigaretten-, Kaffee-, Schokoladen- oder Versicherungsschilder. Bei ihm selbst steht dagegen „die Verherrlichung des Genusses im Zentrum“, wie er es formuliert. Er ist keiner, der Werbeobjekte dicht gedrängt an die Wand hängt, sondern schätzt die Wirkung des Solitärs.

In der Küche hängt ein ebenso altes wie seltenes Maggi-Schild, das noch mit der Weltausstellung Paris 1889 und 1900 wirbt. Er hat im Übrigen rund 1000 verschiedene Maggi-Schilder in seiner Datenbank eingepflegt. Ein historisches Schild der Murgtal Brauerei der Vorkriegszeit aus Gaggenau ziert zudem unter anderem sein Haus im Landkreis Rastatt.

Böhme ist kein Viel-Sammler, sondern achtet auf Qualität und Originalität. Seit 2016 ist er in der Sammlerszene aktiv und gut vernetzt. Unlängst hatte er auch einen Stand bei der Sammlerbörse in Durlach, die Freunde der historischen Reklame auch aus der Schweiz oder Frankreich anlockte.

Doch zurück zu den potentiellen „Fakes“ auf dem Markt. Dafür hat der Experte einige Tipps. „Man muss sich die Rückseite anschauen, ob Farbkleckse, die sogenannte Affenmalerei, zu sehen sind. Im Licht muss das Schild glänzen wie altes Glas. Auch die Signatur der Emaillieranstalt ist wichtig“, sagt Böhme, der längst ein geschultes Auge hat und so intuitiv sagen kann, ob Erscheinungsbild und Patina übereinstimmen.

Auch müsse man unterscheiden zwischen Fälschungen und Replika. Letzteres sind oft Sonderauflagen, die von Firmen beispielsweise zum Jubiläum neu aufgelegt wurden. Auch über Restaurierungen, die sich meist wertmindernd auswirken, müsse man reden. Böhme sieht sie wertneutral.

Meisterschaft war in der Region verwurzelt

Mit Boos & Hahn Ortenberg, Robert Dold Offenburg oder der Emaillerie Alsacienne Strasbourg-Hoenheim kamen einige der renommiertesten Emaillieranstalten Europas aus der badischen Ortenau und dem Elsass und waren nur wenige Kilometer voneinander entfernt. Der technische Einkäufer liebt die Fachsimpelei über sein Steckenpferd, ebenso die Analyse und die Datenpflege am Computer.

„Das hat schon etwas Meditatives. Ich mache das ziemlich penibel und akribisch“, gibt der technikaffine Vater eines Sohnes zu. Ob Hinterglas-Lithographien, Thermometer, Blech- oder Emailleschilder – Böhme lebt seine Passion für alte Reklame, die in den Vorkriegsjahren quasi an jedem Tante-Emma-Laden hing.

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