Es dürfte in naher Zukunft eher Seltenheitswert haben, was jetzt im ehemaligen SWI-Gebäude in der Karlstraße 23 in Rastatt gefeiert wurde: die Eröffnung einer neuen Kindertagesstätte.
Dabei hat die Stadtverwaltung noch vor wenigen Jahren aufs Tempo gedrückt, um das Angebot für die Kinderbetreuung möglichst flott auszubauen. Das lag zum einen an dem Rechtsanspruch für Eltern auf einen Platz für ihre Kinder. Speziell in Rastatt war der Druck aber auch tatsächlich gewachsen, weil innerhalb kurzer Zeit die Bevölkerungszahl durch neue Wohngebiete auf mittlerweile über 51.000 Einwohner angestiegen ist. Hinzu kamen die geflüchteten Familien, die den Bedarf wachsen ließen.
Doch das Blatt hat sich gewendet, wie aus dem aktuellen Kindergartenbedarfsplan hervorgeht. Gründe: Zum einen liegen zwei geburtenschwache Jahre hinter Rastatt, mit 441 Babys im Jahr 2023 und 417 im Jahr 2024 (Zehn-Jahres-Schnitt: 460). Im vergangenen Jahr haben außerdem mehr Menschen Rastatt verlassen als neue Personen zuzogen. Die Verwaltung begründet den negativen Wanderungssaldo mit der Stagnation auf dem Bausektor und der geringeren Zuweisung von Flüchtlingen.
Gleichzeitig hat die Stadt seit 2023 spürbar in den Ausbau der Kita-Infrastruktur investiert. In Rheinau-Nord ging die skandinavisch orientierte Kita Dibber an den Start. In Plittersorf wurde die alte Kita durch einen Neubau am Ortseingang ersetzt. Und Wachstum an Plätzen brachte auch der Umzug des Naturkindergartens Wurzelzwerke vom Münchfeld an die Fohlenweide mit sich.
Und die Stadt hat sich in diesem Jahr weiter gerüstet: Die Inklusionstagesstätte Pünktchen der Lebenshilfe im Zay hält eine Notgruppe bereit zur Unterstützung der Stadt bei der Bereitstellung von Betreuungsplätzen für Kinder über drei Jahren. Im Haus Biber konnten sogar die Voraussetzungen für eine neunte Gruppe geschaffen werden, was 29 zusätzlichen Plätzen entspricht. Und schließlich ist jetzt im ersten Obergeschoss des SWI-Gebäudes die vom Internationalen Bund (IB) betriebene Kita Dörfel in Betrieb gegangen. 50 Plätze wurden geschaffen; 2,2 Millionen Euro investierte die Stadt in den Umbau.
Die neue Kita im alten SWI-Haus füllt sich seit März Schritt für Schritt, wie die Leiterin Judith Lang berichtet. Dass nicht gleich Vollbelegung herrscht, ist für den Träger ein Glück. Denn bei der zweiten IB-Kita Rappelkiste in der Innenstadt kam es zu einem Gebäudeschaden, weshalb die dortigen Kinder zurzeit ins Dörfel ausgelagert sind.
Über eine „bunte und vielfältige Gemeinschaft“ freute sich die Kita-Leiterin bei der feierlichen Eröffnung. Oberbürgermeisterin Monika Müller (SPD) zeigte sich zufrieden, dass man in dem wachsenden Stadtteil nun eine Kindertagesstätte habe, die kurze Wege ermögliche. In dem städtischen Gebäude – untergebracht sind dort noch das Stadtarchiv, der Jiu-Jitsu-Kampfsportverein und der Jugendclub Art Canrobert – sorge der Kindergarten auch tagsüber für Leben, so die OB.
Stadt Rastatt kann Rechtsanspruch erfüllen
Durch den Rückgang der Nachfrage und auch dank der Kita im Dörfel ist es der Stadt nun gelungen, den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz zumindest in Gänze zu erfüllen, wenn auch nicht an jeder einzelnen Wunsch-Kindertagesstätte. „Wir müssen vorsichtig sein“, sagte die Oberbürgermeisterin im BNN-Gespräch zur weiteren Planung der Betreuungslandschaft. Aktuell stehen 1.970 Plätze für Kinder über drei Jahren zur Verfügung; bei den Krippen sind es 478. Angesichts der Bevölkerungsentwicklung und des Rückgangs bei den Flüchtlingen will Müller es vermeiden, über den Bedarf hinaus Kitaszu errichten. Das bedeutet erst mal: Verschnaufpause.
Beschlusslage des Gemeinderats ist aktuell lediglich der Bau eines neuen, fünfgruppigen Kindergartens in Rauental. Der soll laut Verwaltung voraussichtlich im Jahr 2030 in Betrieb gehen.
Diese Entscheidung war im Kommunalparlament nicht unumstritten. Denn als Alternative stand der Neubau eines zusätzlichen Kindergartens neben dem SWI-Gebäude zur Debatte. Die Befürworter des Dörfels argumentierten, dass man in der Innenstadt mit eher angespannter Versorgungslage auf einen Schlag zusätzlich mehr als 100 Plätze schaffen könne. In Rauental dagegen liege der Mehrwert mit einem Ersatzneubau lediglich bei zwei zusätzlichen Gruppen liege. Am Ende lag am Ratstisch die Mehrheit für Rauental bei 21:16.